Lyric Book 3




GEDICHTBAND 3




KUSS DES SCHMETTERLINGS











DAS ANDERE



MICH FRIERT, ICH ZITTERE UND WEINE,
ICH KENNE DICH,
DU BIST DAS UNGEWOLLTE MEINE,
DAS FREMDE,
DAS ANDERE GESICHT.


21 / 11. 98
IK








SILBERKREUZ



IM SUCHEN AN DEN STÄNDEN,
GEFIEL EIN KREUZ MIR SEHR,
SILBER BLINKT`S IN MEINEN HÄNDEN,
ICH GEB ES NICHT MEHR HER.

WILD GEBOGEN, GRAD WIE ZWEIGE,
SPIELT ES SELIG MIT DER FORM,
ES MAG IM ZWANG NICHT NEIGEN,
SEIN HAUPTE NACH DER NORM.

ICH TRUG ES WOHL ALS ZEICHEN,
DER LIEBE AUF DER BRUST,
ALL LEID SCHIEN MIR ZU WEICHEN,
INS LEBEN KAM DIE LUST.

DAS KREUZ IST MIR GENOMMEN,
VERLOREN OHNE NOT,
VIELLEICHT HAB ICH BEKOMMEN,
WAS ICH IM FREVEL BOT.

MIT DEM KLEINOD GING MEIN GLÜCK,
AUF VIELE JAHRE FORT,
HÄUFIG WÜNSCH´ ICH ES ZURÜCK,
VON JENEM FERNEN ORT.

ICH KANN ES IN GEDANKEN SEHEN,
ES HÄNGT AM ALTEN STANDE,
DORTHIN ZU GEHEN - OH WELCHES FLEHEN,
FÜHL´ ICH MICH AUSSERSTANDE.

IM ZWIELICHT IN DEN HALLEN,
VERSCHWIMMEN DIE GESICHTE,
DENNOCH, VON HÄNDLERS STOFF’NEN BALLEN,
LEUCHTET MEIN KREUZ IM LICHTE.

NUR EINEN PLATZ NACH MEINER WAHL,
GIBT ES IM JÄHEN SCHMERZ,
DER SILBERDRAHT, IN SEINER QUAL,
STICHT MIR DANN IM HERZ.


21 / 11. 98
IK








RASTLOS



BIN EIN WAHRLICH SUCHENDER,
RASTLOS, UNBESEELT,
NUR ZU WISSEN,
WAS ICH SUCHE, REICHT MIR NICHT,
FRAGEN KOMMEN SOWIESO,
IHREN UNSINN,
BRAUCH´ ICH NICHT !

IN MIR BRODELT EIN VULKAN,
SCHLEUDERT MEINEN GEIST HERUM,
NACH LINKS - NACH RECHTS WANKE ICH,
HERUMGEDREHT, GESCHÜTTELT,
SCHWANKE ICH,
ZWISCHEN ALLEN DEN VERSUCHEN,
EINEN WEG ZU FINDEN,
DEN ICH FINDEN WILL,
NICHT MUSS,
ABER WEG, WEG VOM KREUZ DER SEELE.

BIN DER TREIBER,
GETRIEBEN ODER TREIBEND,
IM TREIBSAND DER VERTRIEBENEN,
AUF FÜSSEN OHNE HALT,
RUTSCHE ICH IM SAND AUS KÖRNERN,
UNGEORDNETEN VERSTAND,
IMMER TIEFER.

DER WIND WEHT ALLES DURCHEINANDER,
NICHTS IST KLARER NOCH IM KOPF
WIE DIESER STURM,
VERTRIEBEN AN DEN ORT,
GETRIEBEN AN DEN HORT,
WO DER TREIBER ORPHEUS WIRD,
VERSTAND IST MEINE FEDER,
DIE EIN ANDERER MIR SPANNT.

IN MORAL DER EIGNEN ZWEIFEL
ZU VERHARREN,
IST ERFINDUNG IHRERSEITS,
ZU VERRECKEN, WEIL SKRUPEL MEINE INSTRUMENTE FRESSEN,
IST DOCH WOHL ERKENNTNIS NICHT.

IN DEN SEILEN DUMMER ÄNGSTE,
WÄHNT KEIN FORTSCHRITT WOHL IM HÖCHSTEN MASSE,
NUR VERWEILEN AUF DEM PLATZ,
DEN DIR JENE GABEN,
DIE DICH GEFESSELT SEHEN WOLLEN,
HILFLOS WIE EIN KIND.

ABER OHNE SUCHE NACH DER WEISHEIT,
KANN ICH NICHT SEIN !
EHER GLAUB´ ICH, BLIND ZU SEIN -
ALS FALSCHEN FARBEN.


21 / 11. 98
IK








TRAUM IN SCHATTEN



AUF GETÜNCHTEN SEELENSCHWINGEN,
AUS WEIßEM KALK, VOR DUNKLEM STAUBE,
FLIEHEN BILDER, EHE SIE NACH INNEN DRINGEN,
AUF DASS ICH IHRE SCHATTEN RAUBE.

SAH MICH SCHON IM KAMPF UM WELTEN,
MORGENDUNST ZU KLARHEIT ZWINGEN,
WANKTE GAR MIT FINSTREN HELDEN,
WOLLTE AN FREMDE UFER SPRINGEN.

SEHNSUCHT LIEGT WOHL IM VERZICHT,
WAS SONST NOCH HÄTTE MEHR GEWICHT,
VIELLEICHT, WAS ICH ZU TRÄUMEN WAGE,
UNBESEHEN – NÄCHTENS, WIE AM HELLEN TAGE.


07 / 10. 98
IK








DAS WEIßE PFERD



NACH DEINEM DERBEN SCHLAG,
GEGEN ALLES, WAS MICH HÄLT,
REITE ICH DAS WEIßE PFERD,
DURCH WEIßE KALTE NEBEL,
AUS DEM ES KAM.

BLICKEND DURCH DEN DUNST,
ZERRISSEN SIND DIE WEIßEN AUGEN,
UNTER DEM HÖLZERN KLANG DER HUFE,
FLIEHT DIE BRÜCKE, SCHEINBAR,
ÜBERS WEIßE EIS INS LAND ZU IHR.

GEZÜGELT STEIGT MEIN PFERD,
UND NASSE FLANKEN BEBEN,
NÜSTERN BLÄHEN WEIßEN HAUCH,
VOLL REINER UNGEDULD,
WIE WOHL DEM FREMDEN REITER.

AM HORIZONT, DIE WEIßEN SCHWADEN,
FLATTERN SO MÄHNENHAFT,
IM SCHWEIF DER WILDEN FREUDE,
MISCHT SICH DER WEG,
INS UNBEDRÄNGTE DEINER SINNE.


21 / 04. 98
IK








SAN BONITO



ABGEWANDT, AUF ESELS KARREN,
KETZERBRAND, ERSTARRT ZUM NARREN,
GESCHOREN ALLE HARRE, SELTSAM,
UNTERM HUTE, FALSCHE MITRA,
SCHAUKELT ER DEM ENDE HIN.

GEWAND IN QUITTEGELB,
GEKREUZT IM BLUT DER OPFER,
BRANDMAL, SYNONYM UND SÜHNE,
LEGE AB DAS KRUMME LEUGNIS,
WIDER DEN VERNÜNFTEN, ZÜNFTEN.

AUSGELIEFERT, SAN BONITO,
DREI BORNIERTE FALTIGKEIT,
IN EWIGKEIT,
DER IGNORANTEN ARROGANZ,
HEILIGE MACHT.


21 / 04. 98
IK








TE MANA ( THE SPIRIT )



AUS DEN BLÄTTERN FALLEN TRÄUME,
MÄCHTIG GAR DIE URWALDBÄUME,
ABER ÄHNLICH BUNTEN WIESEN,
LIEGT DIE KRAFT ZUM NEUEN SPRIEßEN,
NICHT IN DEN WURZELN BAR ALLEINE,
SONDERN SCHLÄFT IM HEREN SCHREINE,
IN DEN HOHEN KRONEN,
WO DIE GEISTER WOHNEN.


15 / 08. 98
IK








SCHWEBENDE QUALLEN



WIESO IN KLAREN WELLEN,
IN LAUEN TÄNZEN, HELLEN,
AM WEGESRAND ZUM ANDEREN GESTIRN,
MIT FEINEN STIMMEN IM GEHIRN,
GETRAGEN VON DEN GEIGEN,
GEWÄNDERBLAU ZU ZARTEM REIGEN,
GEBLÄHT VOM WIND DER MEERE,
SCHWEBEND IM TRAUM VON LEERE,
OHNE ANGST MAN TROTZDEM WEINT,
DA EIN HAUCH VON GRAZIE ERSCHEINT,
BLEIBT MIR EIN WUNDER.


10 / 05. 98
IK








MONDNACHT



FREUND MOND LÄSST MICH NACH OBEN SCHAUEN,
SCHEINT, ER SUCHE MEIN VERTRAUEN,
IN ASRTONOMISCH DÜSTREN SPHÄREN
SCHWEIFEN STERNE, UND GEWÄHREN,
REINEN BLICK IN ALTE GALAXIEN,
AUFGEREIHT, ALS WÜRDE GOTT SIE ZIEHEN,
ZU KETTEN VOLLER SONNEN,
HAT SO DIE ZEIT BEGONNEN ?


17 / 12. 98
IK








WEIT WEG ( STONED )



WEIT WEG SIND MEINE FREUNDE,
WESWEGEN SIE WOHL SONST
AUCH KEINE WAREN,
IN DER NÄHE.

WENIGER,
DA ICH UNSTERBLICH, BIEDER,
ODER DÄMLICH WÄRE,

ALLEIN, ICH DENKE,
ICH BIN POL,
POSITIV,
STOß´ ICH SIE AB,
DIE MEINER WOLLEN,
WIE DAS LICHT DIE MOTTE BRENNT,
NACH DER BLENDUNG,
WIE EIN STEIN MIT BÖSER KRAFT,
SCHÖN ANZUSEHEN IST,
JEDOCH,
MIT DEM GESICHT, DEM ZWEITEN,
SCHMERZT,

ICH MAG DIE STEINE UMSO MEHR,
JE SELTENER SIE SIND,
SELBST MEINE KATZE,
LIEBT
UND HASST MICH.


22 / 04. 98
IK








Allein, wer das Unmögliche denkt, kann das Mögliche versuchen.


17 / 12. 98
IK








 DOMINOPRINZIP



SOLDATEN, WIE ZUM DOMINO,
AUFGEREIHT, GERADE SO,
ALS WÄR ES EINE SCHNUR,
DOCH MIT EINEM HAKEN NUR,
HARREN SELTSAM UNBEWEGT,
BIS SIE DER VERDACHT ERREGT,
IN DER GUT SPALIERTEN FALLE,
FÄLLT NICHT EINER, FALLEN ALLE.


21 / 04. 98
IK








GLAUBE



TRETE UM UND KNICKE GRÄSER,
BLÜTENKELCHE, REIN WIE GLÄSER,
BLASE ALTE DRAMEN,
FORT, DAHIN, WIE WILDEN SAMEN.

KEINEM SCHLEIFER WIRD ES WEICHEN,
DER EINGEMEIßELT KRAL, DAS ZEICHEN,
FINDET SICH AUF STEINEN,
IM FLUSS, DICHT BEI DEN SEINEN.

ZUM ALTEN NIBELUNGENSCHATZ,
FÜHREN RUNEN, RUFT ZUR HATZ,
GENIAL, OH KÖNIG ETZEL,
SIE GLAUBEN - FLUCH UND RÄTSEL.


18 / 12. 98
IK








TATENLOS



STECHEN DORNEN IN DIE NACHT,
TASTE NACH DEN SINNEN,
DOCH HAB´ ACHT,
IN DEN SCHATTEN, IN DEN NISCHEN,
ERSÄUFT DAS DUNKEL, STINKT DAS SIECHEN,
GEDENKE DEINER TOTENSTATT,
DEIN GRÜBELN, UND NICHT TUN,
SEI LEID,
JA SATT.


18 / 12. 98
IK








DER PARLAMENTÄR



ZWISCHEN DEN HERREN, FESTE SCHRITTE,
DER PARLAMENTÄR, GANZ ALTE SITTE,
HÄLT INNE, LAUSCHT DEM FRIEDEN,
NUR KURZE ZEIT, UND SINKT HERNIEDEN,
IN DIESER SENKE, FERN DER SICHT,
GEHT ER MIT GOTT INS STRAFGERICHT,
KNIEND ZEIHT ER IHM DIE TAT,
KRIEGER ZU SEIN, FRAGT DANN NACH RAT,
WIE ER DIE LEIDEN MILDERN KANN.

DIE WEIßE BINDE, ARG ZERRISSEN,
LIEGT ALS FLUCH AUF DEM GEWISSEN,
MIT SICH UND DER WELT ALLEIN,
SPÜRT ER DIE ANGST, DIE DUMPFE PEIN.

DIE SENKE SIEHT DIE BEIDEN HEERE,
GEHARNISCHT, STOLZ, IM GLANZ DER SPEERE,
FINDEN DEN MANN AM BODEN HOCKEN,
DEN WEIßEN STOFF, DIE KÄMPFER STOCKEN,
SEIN EIGEN SCHWERT STECKT IN DEN RIPPEN,
ENTSETZEN FORMT DEN SCHREI AUF LIPPEN,
KEINER DER FEINDE SANDTE BOTEN,
NIEMAND VERMISSTE DIESEN TOTEN,
ERSCHAUERND SINKEN SCHILD UND MUT,
GOTTES GEBOT VERSUCHEN, SCHEINT NICHT GUT,
IN ERFURCHT GEHEN SIE HEIM, DIE HELDEN,
UM IHREN GROßEN SIEG ZU MELDEN.


02 / 10. 98
IK








 RÜCKENDECKUNG



Die VIELEN, die ihn zur Kandidatur gedrängt hatten, waren letztendlich die EINZIGEN,
die ihn gewählt haben.


 23 / 10 98
IK








RETTUNG ?



SCHLAFTRUNKEN FÄHRT POSEIDON AUS DEN TRÄUMEN,
MIT WIRREM HAAR AUS WELLENSCHÄUMEN,
SCHAUT ER EIN FISCHER ALS DEN RUFER,
HUNDERT MEILEN WEG VOM UFER,
ES SOLL GESCHEHEN, WAS KANN BLEIBEN,
POSEIDON MUSS DEN STURM VERTREIBEN.

DENN ENTSETZT, DOCH FEST IM BLICK,
KÄMPFT, ANS BOOT GEBUNDEN NUR DURCH EINEN STRICK,
DER FISCHER UM DAS LEBEN, SEINEM EIGEN,
ÜBERBLEIBSEL AUS DEM LANGEN REIGEN,
JENEM LETZTEN, NEBEN BOOT UND HAKEN,
WAS IHM BLIEB VORM WEIßEN LAKEN.

POSEIDON LÄCHELT NUR UND SCHWINGT,
DEN DREIZACK, DAS ES IHM GELINGT,
ORKAN UND DONNER ZU BEENDEN,
BÖSES SCHICKSAL ABZUWENDEN,
ERSTERBEND SCHWÄCHELT STURM ZUM WINDE,
VERWANDELT SICH DER GOTT ZUM KINDE.

DER FISCHER SINKT AUF MORSCHE PLANKEN,
DENKT AN JENE, DIE ERTRANKEN,
MAST WIE SEGEL, GAR ENTSCHWUNDEN,
FÜHLT ER BLOß; TROTZ BÖSER WUNDEN,
DEN SCHMERZ UM SEINE TOTEN MANNEN,
DIE DEM SCHICKSAL NICHT ENTRANNEN.


16 / 12. 98
IK








LAOKOON TRAIL



VOR STATUEN DER STUMMEN ZEITEN,
VORBEI AN HALLEN, LEEREN, WEITEN,
WEHT EIN BLATT AUF MARMOR STUFEN,
VERBLÄST DER WIND VERZWEIFELT RUFEN.

SEHER LAOKOON RINGT MIT SCHLANGEN,
IM AUGENWINKEL TÖDLICH BANGEN,
UM SEINE SÖHNE, DIE IN KRAMPF,
MIT IHM UNTERGEHN IM KAMPF.

AUF TEMPELN, TRAGEND ÜBER SÄULEN,
PRESCHEN WAGEN HINTER GÄULEN,
ÜBERS FORUM TOTER POTENTATEN,
IM LANGEN SCHATTEN DUNKLER TATEN.

EIN RUFER IN DER WÜSTENEI,
UNGEHÖRT, SEIN GLAUBE BRICHT ENTZWEI,
WIDER ALLEN SINNEN,
LÄSST GOTT ES NEU BEGINNEN ?


10 / 01. 99
IK








GEHEIMNIS


SIE HAT MIR ZUGEFLÜSTERT,
SIE WEIß NICHT, WAS SIE WILL,
UND DOCH -
WAS SIE SOLL,
WEIß SIE VON MIR.

20 / 09. 98
IK








CALLYSTRA



CALLISTRA, LASS MICH SEHEN,
WOHIN DIE SCHATTEN FALLEN,
WAS HILFT ALLMÄCHTIGES FLEHEN,
WENN SICH DUNKLE WOLKEN BALLEN.

CALLISTRA, LASS MICH HÖREN,
WIE SCHÖN DIE SONNEN SINGEN,
ES MUSS WOHL SEIN, ICH KANN ES HÖREN,
DASS HELL UND DUNKEL RINGEN.

CALLISTRA, LASS MICH WISSEN,
WARUM DIE JAHRE SCHNELLER FLIEGEN,
UND BILDEN DOCH KEIN RUHEKISSEN,
WO SIE IHRE LAST IN TONNEN WIEGEN.

CALLISTRA, LASSE MICH ERKENNEN,
IN DER FEME JENE KRALLEN,
DIE GEBÜNDELT ALLE ZEIT BERENNEN,
SO WIR IN ELEND TIEFEN FALLEN.

CALLISTRA, LASS MICH ERFAHREN,
WAS MEINE JAHRE SOLLEN,
KANN ICH MIR DAS REDEN SPAREN,
ALS EREMIT IN TOTEN ECKEN SCHMOLLEN ?!

CALLYSTRA, LASS MICH DIE STERNE STREIFEN,
SO SCHÖN, MIT LÄNGST ERSTICKTEM LEBEN,
ICH WILL DIE WAHNSINNIGEN BEGREIFEN,
WIE SIE DEM UNTERGANG ZUSTREBEN.


15 / 09. 98
IK








TRAUMA



I.

LIQUIDIERTE NACHT,
AMORPHER TAG,
SO AUS PORZELLAN GEGLÄTTET,
DÜNN UND ZERBRECHLICH,
NOTEN OHNE HALT.

LACK POLIERTE SEILE,
IM KARUSSELL RASANTER FAHRT,
STUFEN DER ERINNERUNG,
WIE RILLEN IM ASPHALT.

HERBSTENS TOTER BAUM,
SCHREI GEPRESSTER LIPPEN -
AM KALTEN BODEN,
RINNEN EISIG WASSER.

VERSENGEN RINNSALE,
ZU SYMPHONEM SUD,
GEDANKEN LASSEN FURCHEN ÜBER,
ALS ASKETEN SPUR.


II.

ELFENBEIN SMARAGDER TRÄUME,
IM BOGEN AUS TRIUMPH,
HÖLZERN BRECHEN TRIEBE,
AUS UNGEGERBTER HAUT.

ERTRUNKNE TROMMEL,
WECKT ERINNERUNG UND ZORN,
SEIDENFLATTERN, REINER STEIN,
NUR MORBIDE RASEREI.

SCHATTEN OHNE MASS,
IN FRATZEN, SO KONVEX,
REINKARNATION -
GIEßT SICH IN FORM.

STUMPF DES LEBENS,
UNVERHEILT FANAL,
IN EWIGER GEDANKENQUAL,
SEI MEIN RADIKALER EXORZIST !


27 / 08. 98
IK








KUSS DES SCHMETTERLINGS



FREMDES MÄDCHEN,
SCHAU´ IN MEIN GESICHT,
ICH KENN´ DICH NICHT.
WAS MICH DEINE IRIS SUCHEN LÄSST,
IN DEN VIBRATIONEN UNBEKANNTER FARBEN,
BESTIMMT DIE SEHNSUCHT.

FREMDES KIND,
GEH´ HAND IN HAND MIT MIR,
IN DUNKLE NÄCHTE RAUS,
BLOß ERHELLT VON DEINEN SOMMERSPROSSEN,
WARM WIE LÄCHELN.

FREMDES GESICHT,
BLICKST FRECH IN MEINE AUGEN,
FORDERST MICH HERAUS,
NUR ZU WAS,
VERSTEH´ ICH NICHT -
NOCH NICHT,
UND KANN ES TROTZDEM SAGEN.

HE, FREMDE,
NUN GIERT DER BLINDE NACH DEM LICHT,
NACH DEM SPIEL DER FARBEN,
WIE EIN SCHMETTERLING,
NACH DEN GLÜHEND HEIßEN FÄDEN,
FEINER SONNENSTRAHLEN.

BIST DU EIN UNGELIEBTER SCHMETTERLING,
AUF BLÜTENWEIßEM BLATT,
FLATTERT DEINE SEELE AUCH,
AUF DEN SCHWINGEN ALLER BLÜTEN ?

FREMDER MUND,
MIT DEM SPITZBÜBISCHEN LIPPEN,
KURZ GEFRANSTEN RAHMENBLICKEN,
WELCH REICHEN BETTLERS TEMPERAMENT
UND FRISCHE !
PROBIER´ AN MIR,
DEN ZAUBER DEINER WEIBLICHKEIT.

FREMDES MÄDCHEN,
SCHMETTERLING,
SEGLE DAVON, DU STOLZE KNOSPE,
AUF DEM WEG ZUM LEBEN,
VERGISS MICH NICHT,
SELBST,
WENN DU NUR KURZ INNE HIELTST,
ZUM KUSSE UNSER AUGEN,
IM WILDEN, SÜßEN BLICK.


20 / 06. 98
IK








ENDE EINER ZEIT



AUF DEN PFADEN, AUF DEN WEGEN,
STÜRZT ER NIEDER, DIESER REGEN,
ZU ANDERN ZEITEN EINE WONNE,
VERMISSE ICH JETZT NUR DIE SONNE.

HERBSTWIND WEHT AN MEINEM KINNE,
SELTSAM, SCHEINT MIR DOCH, ES RINNE,
RAUHREIF DURCH DIE TROCKNE KEHLE,
WAS MIR ANGENEHM, ICH NICHT VERHEHLE.

BUNTER STURM IN BLÄTTERN OHNE HALT,
SCHEINBAR IN FLUCHT, DENN ES WIRD KALT,
AUFGEWIRBELT WIE ZUM TANZ, DEN LETZTEN,
AUS NASSEM GRAU, FLUCHT DER GEHETZTEN.

SCHAUER, NADELSPITZE STURE HAST,
STÜRZEN INEINANDER, WARUM RAST ?
UNGEFRAGT, WILLKOMMEN - KEINE FRAGE,
ES NAHT DAS ENDE SCHÖNER TAGE.


02 / 10. 98
IK








DÄMONEN



DÄMONEN PACKEN MICH,
DES NACHTS,
SCHÜTTELN,
ALLERLETZTE NISCHEN DES VERSTANDES,

AM NÄCHSTEN MORGEN,
WUNDERT MICH EIN JEDES MAL,
RÜCKKEHR,
UND DIE HEILUNG MEINES GEISTES.

WAS GÄB´ ICH DRUM,
WIRRE KLAGEN FESTZUHALTEN,
DURCH FEINES SIEB GESEIHT,
UM ZWEIFEL AUSZUSCHALTEN,
WAS MICH ÄNGSTIGT, WAS BEFREIT.


10 / 06. 98
IK








IN DER EBENE


MONDLICHT FÄHRT DURCH
DUNKLE HAARE,
ALS SONNENWIND,
LÄSST ALLE SZENEN TAUMELN,
SO DASS KEINER WEIß,
OB ES TAG IST,
VIELLEICHT NACHTS,

ERLEN WERFEN LANGE SCHATTEN AUS DEN ZWEIGEN,
ENTFACHT DURCH HELLE SPITZEN,
AUS DEN WOLKEN,
GLEICHSAM STREICHELND ÜBER SANFTE HÜGEL,
ÄHNLICH MÄDCHENHÄNDEN.

SO SCHWANKEN WELLEN IN DEN MEEREN,
EGAL OB SIE AUF
WINDEN, HALMEN ODER GRÄSERN WOGEN.

AUF DEN HÜGEL STEHT ER,
WANKT MIT,
RIECHT MIT,
BIS DIE FINGER ÜBER SEINE HARRE STREICHEN -
ZUM MEERE KANN ER NICHT MEHR HIN,
SO NAHE,
WIE SO OFT.

MIT WEHEN NASSEN STRÄHNEN,
AUF DER BRÜCKE,
SCHAUT ER DEN REGEN,
VERLOCKT VON DÜFTEN,
GREIFBAR,
UNERREICHBAR,
IN DEN LANGEN SCHATTEN,
DIE AUS BÄUMEN IN DIE EBENE ERGIEßEN,
AM HÜGEL,
HINTER WOLKENSPIELEN.


10 / 06. 98
IK








Der Mensch scheint Widerspruch zum Balanceakt der Natur.



Kunst mahnt den genetische Fingerabdruck der Seele.


04 / 06. 98
IK








ZWIELICHT



IM ZWIELICHT WACHSEN ROSEN,
IHRE FARBEN SIND KRISTALL,
NEBEN FEUCHTEN MOOSEN,
DIE WACHSEN ÜBERALL.

DÄMMERUNG ZIEHT ALLE STERNE,
UNWIDERSTEHLICH AUS DER FERNE,
GEZWUNGEN DUNST IN KNEBEL,
ZUM STELLDICHEIN GELÖSTER NEBEL.

SCHÜTZEND BERGEN RARE LICHTER,
GEFÜHLE VIELER GRAUGESICHTER,
TASTEN HÄNDE ÜBERALL,
HERZ UND PULS IM WIDERHALL.

ZUNGEN GLEITEN GEIL AN NEUEN,
STÖHNEN IM KREIS, GANZ SACHT,
SCHREIE SCHEINEN ZU BEREUEN,
KURZ VOR MITTERNACHT.

DÄMMERT`S ?

SCHAU`, ALLEE DER TOTEN STUNDEN,
GELÖSCHTE HERZEN VOLLER WUNDEN,
WICHTIG IST DAS HIER UND JETZT,
MASKERAD MIT SEIN DURCHSETZT.

GESPREIZTE ÄSTE PURE TRIEBE,
KÖRPER GLÄNZEN, ROT DURCH HIEBE,
SAMTES GLEITEN FEUCHTER HÄNDE,
ERSETZT DAS DOGMA FALSCHER WÄNDE.


27 / 10. 98
IK








Jugendliche Schwingen der Euphorie heißen im Alter Alkohol.



Heuchlerische Moralapostel wettern gegen jedwede Freizügigkeit, da andere nicht haben
sollen, was ihnen fehlt.



Der Tod wäre nur dann Feind des Lebens, wenn es Unsterblichkeit besäße.


22 – 24 / 09. 98
IK








NEUE HEILIGE



SIE KOTZEN MICH AN,
DIE FALSCHEN PROPHETEN,
SIE KOTZEN MICH AN,
DIE FALSCHEN HEILIGEN,
SIE KOTZEN MICH AN,
DIE FALSCHEN WOHLTÄTER.

NUN,
WO SIE REICH,
NUN,
WO SIE BEKANNT,
NUN,
WO SIE IN LUXUS,
UND DER LANGEWEILE,
IHREN SIEBTEN SINN ENTDECKEN,
SCHEINHEILIG ZU SEIN.

FALSCHES MITLEID OHNE HERZ,
FALSCHE HELDEN OHNE KAMPF,
HELFEN SICH AM ENDE SELBER,
INS BUCH DER EWIGKEIT.

DAMIT MEHR BLEIBT,
ALS SIE IM LEBEN WAREN.


31 / 08. 98
IK








Fanatiker sind Idealisten ohne Verstand.


21 / 08. 98
IK








SCHEIN



NYMPHE ECHO ERWACHT,
AM TAGE,
VOM TODE NARZISS`.
TAUSEND SPLITTER SEINER TRÄUME,
BILDEN DIE SPIEGEL,
UNERFÜLLTER WÜNSCHE.

UND SO SPRING ICH IN DIE LÜCKEN,
UM DEN GEDANKEN ZU ENTRÜCKEN,
ENTFLIEH´ DEM WAHNSINN ÜBER BRÜCKEN,
SO KANN DIE SCHEINWELT MICH BEGLÜCKEN,
KITTET SCHEINBAR MICH AUS STÜCKEN,
ZUM WACHEN GEIST AUF FREMDEN KRÜCKEN.


21 / 08. 98
IK








TIEFSCHLAF



ANGEFANGEN HAT SIE ERST,
DIE FREUDE,
WIE DER TRUBEL,
MIT ALL DEM WISSEN,
AUS DEN ZYKLEN,
JUNG GENUG,
DOCH SO ERFAHREN,
GIGOLO ZU SEIN.

UND ICH WACHE AUF.

FLATTER ÜBER BUNTE WIESEN,
BESCHWINGT VOM DUFT DER BLÜTEN,
SETZ´ ICH GRINSEND AN ZUM SPIEL,
MIT FEUER, GEIST UND CHARME,
ALS TÄNZER AUF DEN FESTEN,

UND DU SCHLÄFST EIN.

DIE WELT BESTEHT AUS BUNTPAPIER,
ES RASCHELT ALLERORTEN,
VOLLER KRAFT,
BAR JEDEN ZEITGEFÜHLS,
BIN ICH SPRINGER IN DEN FLUTEN,
SCHMUTZIG,
LIEDERLICHER ART.

ANGETÜRMT VON ZUVIEL LEBEN,
KLAMMERT DEINE MÜDIGKEIT MEINE BEINE EIN.

UND DU SCHLÄFST EIN.

HE, WACH AUF,
TUMBER SPIEGEL,
SEH´ ICH DA METHUSALEM
IN MEDUSAS BLICK,
DER MICH ZUM STEINE BRENNT ?

KLOTZ AM HALS,
ZIEHST MICH AUS DEM HIER.

UND DU SCHLÄFST, TEILNAHMSLOS.


15 / 08. 98
IK








Viele Menschen erkennen ihre Grenzen nicht, selbst wenn sie diese längst überschritten
haben.


19 / 07. 98 ( Hawaii )
IK








BLACK STONE



BIN EIN SCHÖNER STEIN,
SCHWARZ GELOCKTES SUCHEN,
DU BIST EIN SCHÖNER STEIN,
UNGESCHLIFFEN, WILD,
IN DEN KANTEN UNGEBROCHEN,
ROH UND DUNKEL.

LICHT AUF DEINEN ADERN,
DRÄNGT UNS, INNERE,
OHNE WIEDERKEHR,
AUFGESOGEN VOM STRUDEL,
DEINER JUGEND,
GESTREICHELT VON DEN FREUNDEN.

NACH UND NACH,
SCHLEIFEN DEINE JAHRE,
FACETTEN AUS DEN SCHATTEN,
BILDEN POLIERTES EBENHOLZ,
DIABOLO IM SPIEGEL.

DER SCHWARZE HIMMEL FLIMMERT,
TREIBT GESAMMELT LICHT,
VOR SICH HER,
AUS DEM INNERN,
UND GIBT DIE WÄRME WIEDER.








ZEITGEFÜHL



ZEIT, SCHEIN !
ICH WEIß NICHT,
WAS DU WILLST VON MIR,
IM RASANTEN TEMPO,
GEHETZT IN ALTER,
SCHMERZEN,
EINSAMKEIT.

MEIN FREUND KANNST DU NICHT SEIN !

NUR,
LASS UNS GEKRÜMMTE RÄUME REITEN,
IM FLUG DURCHS SCHWARZE LOCH,
VERDREHT,
DAMIT WIR -
NICHT GELÄUTERT -
ABER EWIG JUNG,
DEINE LIST DURCHSCHAUEN.


04 / 06. 98
IK
 

 

 

 

 

 

 

ENTBLÖßUNG



DIE ENTBLÖßUNG DEINES KÖRPERS,
IST NICHT,
DIE ENTBLÖßUNG DEINER SEELE.

GEISTER HÜTEN MEINE ZUNGE,
NICHT SO MALINCHES`,
CORTEZ` NYMPHE.

MEIN KÖRPER BLEIBT DERSELBE,
OBENAUF,
UND UNTEN,
EGAL,
WIE DU IHN IM LICHTE SIEHST,
ODER NACHTS,
WEIß IM EIS,
DIE SCHATTEN, DIE ER WIRFT.

ABER MEINE SEELE TANZT,
SELBST IM UNVERGLEICHLICH,
STUMPFEN GELB DES WÜSTENSANDES,
UNVERRÜCKBAR,
IMMER NEU,
IN ANGEHALTNER ZEIT,
GLITZERT IN HUNDERTTAUSEND UNBEKANNTEN PFÜTZEN,
MEINERSEITS.

ACH.

DIE ENTBLÖßUNG MEINER SEELE,
IST EIGENTLICH VERLUST,
VERSCHWENDUNG.

MACH.


11 / 05. 98
IK








TROCKENZEIT



 Pegelstände der Vernunft stammen aus den trockenen Niederungen menschlichen Tuns.


25 / 09. 98
IK








DIE RUDERER



ICH RUFE.
SIE RUDERN,
UND HALTEN NICHT MEHR AN.

DAS WASSER.
STILL.

DIE LUFT.
VIBRIERT IN SPANNUNG.

LAUTLOS GLEITEN SCHATTEN,
DURCH DIE DÄMMERUNG,

ICH HÖRE.
SIE KEUSCHEN,
LAUTLOS, STUMM.

ICH WINKE.
SIE RUDERN,
UND SEHEN MICH NICHT.

SCHEINBAR MÜHELOS,
ZIEHEN PADDEL DURCH DAS GRÜN,
RASEND SCHNELL,
GLEITET ER VORBEI,
DER RUMPF.

ICH STAUNE.
SIE SCHWITZEN,
ANGESPANNT JEDER MUSKEL, JEDER NERV.


17 / 05. 98
IK








HALTEPUNKT DES UNGEWISSEN



HEIßER STURM IN MEINEM KOPF,
IN DEN TAGEN,
WO ICH SUCHE IN DEN DINGEN,
WAS ANFANG,
ODER ENDE IST.

MEINE HAND TASTET IM NEBEL,
DOCH IN ANGST ZU GREIFEN,
WAS ICH FASSE,
SEH ICH NICHT,
UND MUSS ES SCHON ERGRÜNDEN.

UND ICH FALLE ÜBER STRICKE,
AUF DEN BODEN, DER MICH SEHEN LÄSST,
DURCH DIE SCHWADEN ÜBER MIR,
DIE BLASSE SCHEIBE,
WO SIE SICHER IMMER WAR.


03 / 05. 98
IK








DER ROTE





I. KIND DER NATUR



STEHT WIE EIN KORSAR,
AN SEINER REELING FEST,
UNBÄNDIG AN KRAFT,
IM STARRSINN SEINES LEBENS.

BIST DU EBENBILD DES MYTHOS,
AUS ADONIS UND ASKET,
FRISST DEIN WACHER GEIST,
ANSPRUCH UND BEGIERDEN AUF ?

HERAUSGEHOBEN WIE DEIN SCHIFF,
AUS ELLENHOHER BRANDUNG,
ÜBERRAGST DU ALLE MEUTEN,
FELS UND WOLF IN EINEM.

DEIN LACHEN IST GESPÖTT,
DRÖHNT HÖHNISCH IN DEN OHREN,
SELBST DEINE KRÄFTE ZWINGEN NICHT,
DEINE MUTTER IN DIE KNIE.








II. HEIO



TRAUER BLEIBT MIR - SCHIER UNENDLICH,
SIND WIR DOCH,
EIN STÜCK ZUSAMMEN,
UNSER JUGEND VORANGEEILT,
WIE SPRINGEND PFERDE,
DU UND ICH.

IM TAKTE DER MUSIK,
DER UNSERN,
GINGEN WIR,
RHYTHMISCH,
TAUMELND, JA BESCHWINGT,
UND WIR WURDEN NIEMALS ÄLTER.

DANN VERLOR ICH DICH,
DU MICH,
AUS UNSERN AUGEN,
NUN GAR AUS ALLEN LEBEN.

MANN, ICH HÖRE HEUTE NOCH,
DEIN WIEHERND FROHES LACHEN,
IN ALTER SURFMUSIK.

EINE WELLE NAHM DICH MIT,
WIE EIN FLIEHEND PFERD.


04 / 05. 98 und 10 / 08. 98
( In Memory A. H. )
IK








CIVILISATION



ÄCHZEND,
DER LUK VOM OBERDECK,
SACHTE ANGEKIPPT.

AUS DEM DUNKEL,
HEBT SICH DUNST,
AUS ÄNGSTEN UND GESTANK.

GEDUCKTER FINSTERMÄNNER,
NACKTE FÜSSE,
KETTEN RASSELN.

BLICKE BLINZELN,
ENTSETZTER WUT IN SCHRECKEN,
VERFLUCHTE SONNE.

EINER NACH DEM ANDERN,
GLÄNZEND SCHWEIß AN DECK,
BERAUBT NUR IHRER WÜRDE

HANDGELENKE VOLLER BLUT,
PLANKEN SCHIEREN EKELS,
GRÜSST CIVILISATION.

ANGESTIERTE WARE,
OHNE HOFFNUNG,
SEHNSUCHT, BANGEN, FURCHT.

MUSKULÖSE KÖRPER,
AUSGEDÖRRT,
WILDE AUGEN,

AUSGEBRANNT,
GEZÄHMTER FREIER WILLE,
SCHIER GEBROCHEN.

ELENDE GESTALTEN -
UM SIE RUM.

DAS SKLAVENSCHIFF FÄHRT WEITER.


17 / 05. 98
IK








KIRSCHBLÜTENTRAUM



GEHT WER,
DIESE STRASSE RUNTER,
EINGEHÜLLT IN TÜLL,
AUS WEIßEN SCHÖNEN BLÜTEN.

SPÜRT ER NICHT,
DIE LEICHTIGKEIT,
EMPFINDET
ER DIE SINNE ?

EINMAL NOCH,
JA, EINMAL NUR,
WIE IN ALTEN ZEITEN,
WILL ICH DIE ALLEE SO GEH’N.

FÜHRT MICH,
IN DEN TUNNEL,
IN GEFILDE,
WO DUFT DEN SCHMERZ ERSTICKT.

SOLLTE WER,
DIE BLÜTEN FANGEN,
ICH WEIß NICHT, OB ER´S KANN,
SO WILL ICH GERNE HELFEN.


04 / 06. 98
IK








PARADIES



WIE SOLL ES SEIN, IM PARADIESE,
INTERESSIERT MICH DAS,
BEIM
IRDISCHSEIN !

UND DAS GELBE BLUT DER BÄUME,
TROPFT DURCH MEINE AUGEN IN DIE TRÄUME,
ZERBRICHT IN TAUSEND FARBEN,
HINTERLÄSST GESCHÖNTE NARBEN.


26 / 01. 99
IK








ABSURD



SIE SCHELTEN,
DIE TYRANNEN DIESER WELTEN,
VERGEHEN WIE DIE EXISTENTEN,
WOHL ZU RECHT,
ALS CHIMÄREN, DIE NUR MENSCHEN FRESSEN,
DEM TODE NOCH VERHASST.

DENNOCH HALTEN SIE,
PERLEN IN DER HAND,
SCHWARZ UND WEIß UND ROT UND GELB,
ZU VIELE,
AM ZOPF DES MOHREN,
FÜR IHN ALLEIN.

MANCHE WAGEN SPIELE,
TÖTEN DEN TYRANN,
DOCH SO WENIG SIND ES NICHT,
DIE ALLE HABSUCHT LASSEN.

PERFIDERIE GROTESK.


30 / 06. 98
IK








TEACHERS IN


BELL` DEN MOND AN, LEHRER,
HILFT DIR NICHTS !
FIND OUT YOURSELF,
FIND IN,
YOUR SOUL,
MISTAKES ABOUT MISTAKES,
ERRORS IN ERRORS,
FAULTS ON FAULTS,
I HATE THE TEACHERS ALL !
WE DO THAT ?

KLATSCHEN DIE GESTADE FREMDER WELTEN,
AN DEN KOPF,
STÄNDIG, SCHWAPPEND, IMMERFORT,
HÄMMERN WIRREN IN DEN SCHÄDELN,
UNBEIRRT,
EILEN GEDANKEN,
EITERND AUS DEM HIRN DER GEGENWART,
KLÄFFT DER MOND DEN HUND AN,
GLÄUBIGER –
DANN GEH`,
DEIN WISSEN IST VON GESTERN !


22 / 07. 98 ( Maui – Hawaii )
IK








AMERICA II





I. N.Y.



UPTOWN.
DOWNTOWN.
BUNTE LICHTER SCHWELLEN AN,
UND EBEN AB, TAG WIE NACHT,
MENSCHENSTRÖME,
IN PARALLELEN STRAßEN LINIEN,
KREUZEN IHRE NAMENSSCHILDER,
AN REKLAMEN, IN DEN WÄNDEN,
NEON FLACKERT IN DEN AUGEN,
IN DEN SCHEIBEN GELBER CABS,
WO IST HIER DIE STUNDE ?
KEINER REDET, ALLE EILEN,
ACH, DIE LUFT IST ANGEFÜLLT,
MIT GESTANK UND BLECHGESCHMACK, TEUREM STAUB,
SAND, DER AUS DEN UHREN QUILLT,
SIE ALS ZEIT VERLÄSST,
DIE JENE STADT NICHT HAT.
SUBWAY.
UPWAY.

STUPID.








II. CASINO



GELD FLIEßT RASCH IN KALTE KEHLEN,
ABWÄRTS IN DEN KELLER,
AUTOMATEN RASSELN, ATEMNOT,
MÜNZEN KLINGELN,
GAMBLER WISCHEN SICH DEN GOLDSTAUB AUS DEN AUGEN,
IM ÜBERHITZEN KARUSSELL.

TAUSEND ARME
HAT DER VERÖDETE VERSTAND,
DIE REGEL HEIßT BANKROTT,
GLITZERWELT,
SCHEINWELT,
MEIN GELD,
WEG.

VOR DEM FLIMMERN FIEBERN GESUNDE KRANKE,
A COMMERCIAL SPOT ON THE SCREEN,
AB ZUM HORT DER GOLDNEN STRÖME -
EIN GEILER TRIP ZUR HÖLLE.


19 / 07. 98 ( Hawaii )
IK








III. SURF CITY



FLACH AUF HELLEN BRETTERN,
TREIBEN PUNKTE,
GETRAGEN, HOCH UND WEIT,
ZUM STRAND IN LANGEN TÄLERN.

SIE PADDELN RAUS,
SIE WARTEN,
IN WEITER BUCHT SURF CITY,
AM ENDE ALLER STÄDTE,

BEBEN IN DER TIEFE,
FLUCHEN OBENAUF,
SCHEITERN IN DER PIPELINE,
LÄSST KRAFT AM MEERESGRUND.

EIN MONSTER SCHLUCKT DIE PUNKTE,
DAS TREIBEN BALANCIERT,
ATEMLOSES SUCHEN,
DIE WELLE SPUCKT SIE AUS.


19 / 07. 98 ( Hawaii )
IK








ANDERSWO



FLÜSSIGES GOLD UMSPÜLT DIE FÜSSE,
KINDERGESICHTE IM GESTEIN,
AN ORTEN,
OHNE HAST BEIM SEIN,
DAS TUN VERLÄUFT GANZ ANDERSWO,
NICHT SO SCHMUTZIG WIE DAHEIM.

TAKT MASCHINE MENSCH,
IST AUSGESCHALTET, ABER,
SCHWINGT IM RHYTHMUS DES ERBROCHNEN.
WAS DA NACHHALLT, WIE EIN ECHO,
SCHEINT DAS SCHRITTMAß,
EINER GRÖßE,
NIEMALS WOHL ERFASST.

SCHLAMMIGE KRUSTE MEINER STELE,
BRICH AUF !
BLUTROTES GOLD PUMPT EKSTATISCH AUS DER KEHLE,
IN FÜSSE UND GESICHTE LAUF.


24 / 06. 98
IK








ERWACHEN IM PARADIES



TRÄUME VOM PARADIES,
MEIN KIND,
SCHAUKLE IN DEN WELLEN,
PENDLE IM GEMÜT,
NUR,
WACH NICHT AUF,
VOM PARADIES.

MOMENTE PLATZEN WIE MELONEN,
SCHROFFER SCHMERZ AM SPITZEM FELS,
IN FLUTEN PURER TRÄNEN.

SCHMECKST DU NOCH DAS SALZ,
MEIN KIND,
SPÜRST DU WARME WASSER ?


LASS DIE TRÄNEN LAUFEN,
SIE SPÜLEN SPUREN WEG,
VOM PARADIES.

FRÜCHTE SIND VERDORBEN,
FLÜSSE EINGETRÜBT,
MALT NUR FÜR DEN AUGENBLICK,
LIEBE AUF DIE STIRN.

GLEITE AB AN NACKTEN KÖRPERN,
ÖLIG WIE IHR SCHEIN,
ÜBELRIECHEND, RANZIG FETT.

UND WIEDER.
AUGEN LÜGEN,
WORTE TRÜGEN,
OHREN SIND TAUB,
UND HÄNDE STAUB,
LÄCHELN SO FALSCH WIE DER MOND,
AN HIMMELS PARADIES.


17 / 08. 98
IK








NAIVE STORY



STETIG WANDEL FÜHRT DIE ZEITEN,
NIEMALS STILLE, SONDERN GLEITEN,
ALTE MEERE SIND ENTSCHWUNDEN,
GLETSCHEREIS IM SAND VERSUNKEN,
EINSTIG ZUGEFRORENE SEEN,
KONNTEN NICHT IN GLUT BESTEHEN,
PFLANZEN, TIERE GINGEN FORT,
VERWANDELN SICH AN NEUEM ORT,
PASSEN SICH DEN WELTEN AN,
DIE DANN KOMMEN IRGENDWANN.

NATUR ZEIGT KEINE FESTE GRÖßE,
DENNOCH FÜHREN IHRE STÖSSE,
LANGSAM ABER STETIG,
DEN WANDEL AN WIE EWIG,
NUR MENSCHEN OHNE SINN,
SUCHEN STUR DEN ANBEGINN,
IM EINHALT FÜR DIE EWIGKEIT,
GOTT IDEAL ZU JEDER ZEIT,
WELT ALS PARADIES.


20 / 08. 98
IK








SPINNENNETZ



HALBSEIDEN, GLITZERND IM DUNST,
ZIEHT SIE FÄDEN DER GUNST,
AM ENDE VON NICHTIGEN TAUEN,
NICHTSAHNEND, SITZT BÖSES GRAUEN.

IM SONNENSTRAHL GLÄNZEN WIE SAUM,
TAUTROPFEN ZITTERND AM BAUM,
VIBRIEREN, SCHWINGEN GANZ OHNE SCHALL,
BERÜHRUNG IN TRANCE, SPÜRBAR AM HALL.

MEISTERWERK SKURRILER FÄDEN,
KNÜPFWERK BAR KLEINSTER SCHÄDEN,
KEIN ENTRINNEN, OB HELL ODER FINSTER,
GARANTIERTER TOD HINTERM GINSTER.

KEIN ZITTERN, KEIN ZAPPELN UND BEBEN,
ENTGEHT MEISTERINS STREBEN,
ALS WÄCHTER IM HERZEN DER TÜCKE,
VERSPERRT SIE DER FALLE EINZIGE LÜCKE.


01 / 09. 98
IK








ICH MUSS



SAGT MIR NUR, WO KAM ICH HER ?

SAGT MIR NUR, WO GEH ICH HIN ?

HALTE ICH BLOß EIN, GANZ KURZ,
IST DAS TEIL DES SEINS ?

ZIEL AM HORIZONT,
STURE,
NAMENLOSE LINIE.

WAS WILL ICH VON DIR ?

WAS WILLST DU NUR VON MIR ?

GERN BLIEB ICH SITZEN,
SCHLIEF MIT EUCH EIN,
WACHTE AUF MIT EUCH,
TEILTE RUHE UND WEIN.

DOCH FRÜH VOR MORGEN,
GREIF ICH MEINE BÜNDEL,
ZIEH,
FRÖSTELND AUS DER WÄRME FORT,
ZUM KALTEN HORIZONT.


26 / 08. 98
IK








SIRENEN



VOR MEERES FELSIGEN SCHLUCHTEN,
ROMANTISCH GEFORMTEN BUCHTEN,
SPHÄRISCH SCHÖN, SIRENES KLÄNGE,
SINNIG VERGEILTE, ARME ZWÄNGE.

ZWISCHEN WOLKENKRATZER SCHLUCHTEN,
SCHMUCKLOS LAUTEN AUTOBUCHTEN,
TÖNEN SCHRILL SIRENEN KLÄNGE,
AUFSCHREI GEWALT BEENGTER MENGE.


31 / 01. 99
IK








SPAZIERGANG



I.

BÄUME FALLEN VON DEN BLÄTTERN,
DENN DER TAG IST ALT,
ES WIRD KALT, DA,
WO KEINE SONNE IN DEN HIMMEL SCHREIT.

WEGE VOR DEN AUGEN,
SO SCHÖN BUNT,
FRISCH GEFALLEN LAUB IM HERBST,
RITTLINGS,
IN ABSTRUSEN HAINEN.

ATEMLOS SAUBERES GEWÜRGE,
VOLLE LUNGEN,
TIEFSEEWOLKEN FÜLLEN MEINEN MUND,
SALZIGER ALS WORTE,
AUFGEBLÄHT IM SCHLUND.

TREIBEN STROMABWÄRTS,
ABGEHOLZTE STÄMME,
ERBLÜHEN NUN WIEDER,
EISSCHOLLEN AUF BEINHARTEN WURZELN,
GEKRALLT IN KALTEN GRANIT.


II

NATÜRLICHER LAUT,
GURGELT IM TROCKENEN BETT,
KIESEL GERUNDET IM BACH,
GRÜNE FORELLEN DAGEGEN,
HÖHNEN SPRINGENDEN WELLEN.

GLEITE MUSIK, AN DEN HÄNGEN,
EINSAM IM SCHRITT,
ALTE WASSER TRÜBEN DEN WEIHER,
BEWACHSEN VOM DRÄNGEND GESANG.

LAUTLOSER FREUND MEINER OHREN,
WAS HAT MICH GETRIEBEN ?
WÄHREND ICH LAUSCHTE,
FALLENDEN BLÄTTERN,
BIN ICH VERFÜHRT.


24 / 08. 98
IK








METAMORPHOSIS



LIEDER VON GESTERN,
SEICHTES LOB DUMMER SCHWÄTZER,
BLEIBE DOCH FERN.

WO SIND DIE GESTELZTEN,
IM SCHREI DER VERWANDLUNG,
DEM LIED VOM ÜBERDRUSS.

SIRENEN IM BETÖRENDEN REIGEN,
SPRENGEN ZU ENGE HAUT,
IM SCHREI IHRER GEIGEN.

HALTE DIE OHREN FESTER !
IM ZERFETZTEN LOB HARTER PANZER,
VERBRENNEN DIE RESTER.

ALLEIN GEHE ICH AN,
ZUM LAUF AUS DER FERNE,
IN HAST, OHNE STERNE.

SONST STEHT ZUM ERSATZ,
DIE HATZ,
DER GENÜGSAMEN TREIDLER.

ODER DIE MAUER,
SO PLÖTZLICH,
SO HOCH.

PFLASTERT MIR MEINEN WEG,
ZURÜCK,
MIT STANDHAFTEN BLÖDEN.

FETT UND TRUNKEN,
SIND DIE SCHMEICHLER - DERWEIL,
NOCH TIEFER GESUNKEN.


10 / 08. 98
IK








LUMINARE


TOCHTER DER SONNEN,
SOHN DES GEWÄRMS,
VATER VERDUNKELTER SCHATTEN,

MUTTER LEBEN ERWACHT.


31 / 01. 99
IK








JONATHAN AUF WEIßEN SCHWINGEN

 

Schon in seiner Studienzeit war Jonathan fleißiger als die anderen, einfach besessener.
Die Mitkommilitonen ließen so manche Vorlesung sausen.
Gingen abends ins Bierhaus oder stellten den hübschen und weniger hübschen Mädchen nach.
Jonathan war anders, besessen eben.
Sehr zur Freude der Herren Professoren, die sich sehr am Lerneifer ihres Schülers erfreuten.
Nun ist Medizin kein einfaches Lehrfach.
Doch alle Gebiete und Sparten der komplexen Materie waren Jonathan bestens vertraut.
Bereits zu Schulzeiten hatte er hinter exzellenten Büchern gehockt, die Körper studiert.
So vorbereitet war die Uni ein Kinderspiel, ja mancher Studienrat mußte Belehrungen hören.
Und Jonathan hatte recht, jedesmal.
Die übrigen seines Jahrganges bewunderten ihn, gingen ihm aber ansonsten aus dem Weg.
Zu sonderbar, der Kauz.
Es kam der Abschluß nach vielen Jahren, glänzend wie erwartet.
Koryphäen der Wissenschaft rissen sich um den Jüngling.
Wollten den promovierten Doktor an ihre Einrichtung bekommen.
Ganz uneigennützig natürlich. Natürlich.
Sie wurden nicht enttäuscht, der Bursche war glänzend.
Enttäuscht allerdings war er selber.
Ging doch der Praxis so vieles ab.
Nicht immer glatt, wie er es sich theoretisch vorgestellt, ausgemalt und erlesen hatte.
Trotz der Kunsthände des Magiers von der Uni riß ihm der Tod dennoch seine Quote aus den
feingliedrigen Fingern.
Er verfluchte den Sensenmann, der da an seiner Unfehlbarkeit rüttelte, und versank in
Grübelei.
Nachts, allein in seiner Kammer, besuchte ihn daraufhin der schweflige Geselle.
Jonathan gefror der Seelenmut, doch der dunkle Gast verhieß dem Medicus einen Weg,
Gevatter Tod zu foppen.
„Ich“, versprach der Pferdefuß, „schütze deine Künste vor der Sense.“
„Was verlangst du, Luzifer ?“
„Nicht viel, brenne jeden, den du öffnest, meinen Stempel in das Herz, auf das er später mir
gehöre, mein Freund.“
„Das kann ich nicht“, schrie entsetzt Jonathan, „dann falle ich selbst der Hölle anheim !“
„Niemals“, entgegnete der listige Bote der Nacht, „du sollst die Flügel der Engel erhalten.“
„Für jede Seele sende ich eine himmlische Feder für deinen Heimgang, Glücklicher.“
„Ich zupfe sie den Engeln aus den Flügeln.“
Jonathan wurde der berühmteste Arzt seiner Zeit, unnachahmlich, perfekt.
Gerettete und Fachwelt lagen ihm zu jenen Füßen, wo er morgens eine Feder fand.
Als seine Zeit kam, steckte er die Pracht zusammen zu zwei schneeweißen Schwingen.
Und hob sich in die Lüfte, seine gerechte Belohnung zu empfangen.
An der großen Pforte schlug er den Eisenring und der alter, weißhaariger Mann erschien.
„Laß mich ein“, rief der fliegende Jonathan, „ich bin tot und auf dem Weg zum Paradies“.
Der alte Mann bückte sich, hob ein dickes Buch empor und schlug es auf.
„Unterzeichne hier mit einer Feder deiner Flügel !“
Der neue Engel zupfte einer seiner Federn aus - und stürzte ab, auf geradem Weg in die Hölle.
Ein listiger Teufel hatte ihm nur soviel Federn vermacht, daß sie ihn gerade trugen.
Hunderte Seelen mit Stempeln auf dem Herzen harrten seiner im Höllenfeuer.
Jetzt waren sie die Chirurgen; jedoch schlechte, ganz schlechte.
Retten konnten sie ihn nicht.
 



29 / 01. 99
IK








TOTENFEST



IM REGEN, GRAU AN GRAM,
TIEFEN BLICKES, WAS AN SCHAM,
TROTZIG LEUTE, ALLE ZEUGEN,
VERHEHLEN NICHT, EIN KNIE IN BEUGEN.

SCHWARZ INFAMER LUG,
TRAUER, KEINESWEGS NUR TRUG,
LAUF DAVON, SO EKELHAFT,
ALLESAMT MIT DRECK AM SCHAFT.

SCHAUE MICH NICHT UM,
ACH, SCHERE MICH NICHT DRUM,
BODENLOS, KEIN HALT NACH UNTEN,
BIN IRDISCH SCHON VERSCHWUNDEN.

GRUFT, SO LEHMIG VOLLER ZWEIGE,
HÖR´ ICH DA HIMMLISCHE GEIGEN,
TOD UND FINSTERNIS, NICHT WEIT,
WAR`S DAS, MACHE MICH BEREIT ?!

HELLE, ZARTE KERZENLICHTE,
IN DEN HÄNDEN KLEINER WICHTE,
BESOFFEN, SCHIER VOR STAUNEN,
SELTSAMER TOD, ANSONSTEN RAUNEN.

EIN GNOM TRITT VOR, ER GREIFT,
MIT FINGERN, EDEL GAR BEREIFT,
NACH MEINEN SCHMUTZIG KLEIDE,
WO ICH IHM SEINES NEIDE.

FOLGE WINKEN, JENEN VIEREN,
ÜBER PFÜTZEN, ÜBER SCHLIEREN,
EIN VORHANG SCHEINT ZU WEICHEN,
TRUGBILDER NARREN, SEHEN LEICHEN.

DAS ENDE WOHL, SIE STÖREN,
MOOSE SOLLEN MICH BETÖREN,
GRAS, GANZ WEICH AM BODEN,
ALS RUHEBETT DER TOTEN.

ZUM MAHLE WERDE ICH GELEITET,
ZUM LETZTEN, KURIOS BEREITET,
TISCHE, NEIN, SEEROSEN INSELN,
IN TEICHES WILDEN LICHTE BLINZELN.

ZUVOR JEDOCH, IN MARMOR THERMEN,
HEILIGER MÄDCHEN BLICKE WÄRMEN,
UNTER HEIßEN SCHWADEN WONNE,
SCHRECKE NICHT, VERBLASST DIE SONNE.

ICH TANZ MIT ELFEN MEINEN TOD,
GRABES SCHMUCK IN STEIN,
ENDLICH, RUCHLOS, OHNE NOT,
FLIEH´ CORONA, FALSCHER SCHEIN !


27 / 01. 99
IK








 TORERO ( JUNGE STIERE )



SITZEN AM FEUER,
AUF DER KOPPEL JUNGER STIERE,
UND DER ABEND GLÜHT,
ZUM ERWACHEN,
FERNER ZEITEN,
DIE VOR UNS ALS WEGE SCHEIDEN.

ASCHGELBES LICHT ZIEHT ÜBER,
KAHLE KRÜPPELBÄUME,
IM SUMPF,
GANZ DUMPF,
ÄNGSTE ZU BEDECKEN,
DIE IN UNS SIND AM WENDEPUNKT.

IN BRACKEN WASSERN,
TANZEN MÜCKEN AUF DEN BLÜTEN,
MODRIGER TELLER, ANGEFÜLLT,
MIT UNBEKANNTEM FÜHLEN,
DAS AN UNS SPRICHT,
NOCH WEIT,
NAH IM GESPÜR.

JEMAND,
WIRFT MAGMA AUS DER GLUT,
DAMIT DAS FEUER TANZT,
ZUNGEN SENGEN,
BRENNEN UNSRE HAUT,
ENTFACHEN DEN VERSTAND.

UNBESTIMMTE ZEICHEN ZIEREN GESICHTE,
SCHATTEN,
UNERTRÄGLICH,
UNGEWISS.

GERÜCHE, STÄRKER NOCH,
GERÄUSCHE IN DER DUNKELHEIT,
SCHMELZEN DEN SELTSAMEN KESSEL DIESER NACHT,
ZUM SUD AUS,
ANIMALISCH WILDEN ZWANG,
FAULIG WASSER,
TOTEM AST.

WACHE AUF IN EINER ZEIT,
DIE NEU.

STILL STEHE ICH UND STARRE,
INS DUNKLE NICHTS,
ERWACHE,
MIT FIEBER IN MIR.


18 / 08. 98
IK








MODERNE ZEITEN



WAS HAT DAS EINE,
MIT DEM ANDEREN ZU TUN ?

SPIEL MIT MIR,
STADT !
ES STÖRT DER LÄRM MODERNER KATHEDRALEN,
SEHNSUCHT IN STÄHLERNEN,
GEBETEN,
NEONGLANZ,
UND LICHTERWELTEN.

TANZE MIT MIR,
STADT !
NACH DEN FREQUENZEN NEUER JAHRE,
SPHÄREN AUS KLOAKEN,
IM GESTANK VERBORGEN,
TODES ADERN,
WEGE DER SIECHEN,
FORT VOM,
HORT,
DER JUGEND.

PLAKATE AN DEN WÄNDEN.

REDE MIT MIR,
STADT !
VOLLER HIEROGLYPHEN DEINE BALUSTRADEN,
BOTSCHAFT OHNE WERT,
WUNDERT SICH DER FREMDE MANN ANDROMEDA,
ÜBER DAS WISSEN,
AM TIMES SQUARE.

BUNTE SCHEIBEN BRECHEN JEDEN GLANZ.

TRÄUME MIT MIR,
STADT !
MOLOCH DER GEHETZTEN,
GEFÄNGNIS DER VERPETZTEN,
GNADENLOSES TRAUMA,
ENGE.

GEGEN DAS BRÜLLEN,
BRANDET AN,
MEIN HERZSCHLAG RHYTHMISCH,
STILL.


18 / 01. 99
IK








WOLKEN



SIE GEHT DURCH IHRE WOLKEN,
GRAU UND SCHWER,
ALS OB ES GAR NICHTS WÄR,
SIE HAT KEIN HERZ AUS STEIN,
NEIN, SIE HAT ZWEI,
SIE SCHLAGEN ANEINANDER,
DAZWISCHEN SCHMERZ,
GEFÜHLLOS, TAUB.

LÄCHELN ZERFLIEßT AN IHREM KÖRPER,
FEIERT EINEN SIEG,
DER NIE GEWONNEN WIRD,
AUF DEM FLUG ZU BITTERKALTEN STERNEN,
LAUERN TRÄUME,
WIE SCHÄUME,
HINTERHER.

SIE HÖRT IHRE STIMME NICHT,
ES IST EIN KALTER KLANG,
GEPRESST, METALLISCH,
UNTER ZWANG.

DIE SONNE GIEßT IHR GOLD INS MEER,
VIOLETT FÄRBT SIE SICH EIN,
KOMMT DAS SCHÖNE WIEDER HER,
NUR HOFFNUNG, ODER PEIN?


01 / 02. 99
IK


*



INGO KARWATH

KUSS DES SCHMETTERLINGS II - GEDICHTBAND ( IK 1997 )

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

 

 

Vogel1